Ein weitreichender Wandel prägt viele der globalen Märkte, in denen FST tätig ist. Elektromobilität, grüne Energie, Robotik und Digitalisierung sind nur einige Stichworte, die stellvertretend für diesen Transformationsprozess stehen. Die Erkenntnisse aus dem Projekt Ovid haben gezeigt, dass der Wandel für das Unternehmen ein großes Wachstumspotenzial bietet. Mit seinen Kernkompetenzen – insbesondere seiner Materialexpertise – ist FST bestens gerüstet, sein Produktportfolio strategisch weiterzuentwickeln, innovative Lösungen voranzutreiben und seinen Umsatz zu steigern. Doch inwieweit haben die Erkenntnisse, die FST mit dem Projekt Ovid gewonnen hat, einen Einfluss auf die einzelnen Divisionen? Die Divisionsleiter berichten, welche Konsequenzen die Erkenntnisse aus Ovid für ihre Produktportfolios und strategische Ausrichtung haben.

Im Januar 2022 erfolgte der Startschuss für das Strategie- und Transformationsprojekt Ovid. Ziel war einerseits die Analyse der Kernmärkte und -industrien von Freudenberg Sealing Technologies (FST) bis ins Jahr 2035. Andererseits galt es zu überlegen, wie sich das Unternehmen angesichts der zu erwartenden Marktveränderungen transformieren lässt. Denn: Produktportfolio, Prozesse und Strukturen von FST müssen sich kontinuierlich weiterentwickeln und den geänderten Marktbedürfnissen anpassen. Nur so lässt sich schnell und zielgerichtet auf neue Trends reagieren und die technologische Entwicklung in den Zielmärkten maßgeblich beeinflussen. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um auch weiterhin profitabel zu wachsen.

Dr. Christian Dickopf
Corteco
„Im Ersatzteilmarkt wird das Geschäft mit Verbrennungsmotoren in den nächsten Jahren stabil bleiben. Entsprechend gering sind die direkten Auswirkungen von Projekt Ovid auf Corteco. Indirekt könnte Ovid uns betreffen, wenn FST sich beispielsweise entscheiden würde, einen Artikel, der heute an Automobilhersteller oder deren Zulieferer verkauft wird, zukünftig nicht mehr herzustellen, wir aber mit diesem Artikel im Ersatzteilgeschäft (Aftermarket) aktiv sind. Aktuell sind uns solche Fälle nicht bekannt. Mit einigen Jahren Zeitversatz wird sich aber auch unser Kernmarkt verändern. Ab 2030 erwarten wir einen relevanten Aftermarket für Batteriefahrzeuge. Wir bereiten uns heute schon darauf vor, Lösungen dafür anbieten zu können – gemeinsam mit unseren Lead Centern sowie Lieferanten innerhalb und außerhalb von Freudenberg.“

Matt Chapman
O-Rings Division
„Die Transformation hin zur Elektromobilität hat sicherlich viele Auswirkungen auf die O-Rings Division. Einspritzventil-O-Ringe, eines unserer Kernprodukte mit starkem Alleinstellungsmerkmal, werden im Jahr 2035 einen deutlich kleineren Teil unseres Portfolios ausmachen als heute. Das Gleiche gilt für weitere Anwendungen in Motoren und Getrieben. Aufgrund ihrer Konstruktion kommen O-Ringe jedoch in fast allen Applikationen zum Einsatz. Wir sehen bereits Möglichkeiten in Batteriesystemen, so zum Beispiel mit den Battery Cell Cap Seals, wo wir mit der Division Powertrain & Driveline zusammenarbeiten. Wir wollen uns stärker in Fahrzeugsicherheitssysteme einbringen, da diese immer komplexer werden. Darüber hinaus erwarten wir erhebliches Wachstumspotenzial bei Industrieanwendungen. Insgesamt sehen wir eine glänzende Zukunft für diese einzigartige Produktlinie innerhalb von FST.“

Malte Müller
Oil Seals Industry Division
„Eines der ganz konkreten Ergebnisse aus dem Projekt Ovid ist die Zusammenführung der Divisionen O-Ringsund Gaskets in die neu gegründete Static Sealing Division.
Wir führen zwei erfolgreiche Divisionen zu einer starken zusammen, um die Transformation hin zu batterieelektrischen Fahrzeugen und der Wasserstoffwirtschaft noch stärker in den Fokus zu rücken.
Beide Divisionen zusammen erwirtschaften etwa 70 Prozent ihres Umsatzes im Automobilgeschäft, das sich durch die Elektrifizierung massiv verändern wird. Wir fokussieren uns auf unsere Stärken bei statischen Abdichtungen, denn dies wird uns helfen, den Wegfall der Produkte für Verbrennungsmotoren zu kompensieren und weiter zu wachsen. Wir werden weiterhin Marktführer im Automobilgeschäft der statischen Dichtungen bleiben und mit der Allgemeinen Industrie überproportional wachsen. Unser langfristiges Ziel ist es, unser Portfolio ausgewogen zu je 50 Prozent mit beiden Märkten zu generieren. Und wir werden stark am Wachstumsmarkt der Zukunft – den Wasserstoffanwendungen und der E-Mobilität – partizipieren.
Beide Divisionen haben bereits mit Blick auf die Transformation wichtige Meilensteine erreicht. Ich denke hier zum Beispiel an die großen, faltbaren Dichtungen für Batteriefahrzeuge oder Prozessverbesserungen für wettbewerbsfähige O-Ringe für Elektromotoren, aber auch an neue Materialien, die den Einsatz von klimafreundlichem Schutz- und Kühlgas ermöglichen. Wir sind in der Lage, die Kernkompetenz des statischen Dichtungswissens von FST in der neuen Division Static Sealing in einer stärkeren Aufstellung zu vereinen.“

Peter Johnson
Fluid Power Division
„Für die Fluid Power Division haben wir als Konsequenz des Projekts Ovid eine Reihe potenzieller Wachstumschancen für die Allgemeine und die Schwerindustrie abgeleitet. Dazu gehören On- und Offshore-Projekte für die Windenergie sowie Projekte rund um die Erzeugung, den Transport und die Speicherung von Wasserstoff.
Die Elektrifizierung von Fahrzeugen wird nach 2030 mit dem Auslaufen von Automatikgetrieben einen erheblichen Einfluss auf das Lead Center Fluid Power Automotive haben. Um den Wegfall diverser Produkte zu kompensieren, werfen wir unser gesamtes Know-how in die Waagschale, auch was unsere Materialkompetenz anbelangt. Hier kommt intelligenten Thermoplasten in den nächsten drei bis fünf Jahren eine Schlüsselrolle zu. Thermisch leitfähige, elektrisch isolierende Materialien (TCEI) beispielsweise treffen auf großes Interesse bei unseren Kunden.
Was unser Lead Center Damper & Steering betrifft, ist das Produktportfolio antriebsunabhängig. Hier möchten wir unsere globalen Marktchancen mit Innovationen maximieren, zum Beispiel mit Produkten für Zweiräder. Wichtig sind für dieses Lead Center Megatrends wie ein wachsendes Gesundheitsbewusstsein, Urbanisierung und Elektrifizierung.“

Bernd Koch
Industrial Services Division (ISD)
„Da die ISD nicht die Automobilindustrie beliefert, sind wir vom Projekt Ovid nicht direkt betroffen. Die ISD fokussiert sich auf das MRO (Maintenance Repair Overhaul)-Geschäft über unsere Händler, auf die Prozessindustrie (Lebensmittel, Pharma- und chemische Industrie) sowie auf kleinere OEMs in allen Segmenten der Allgemeinen Industrie. Auch unsere Kunden arbeiten intensiv an der Dekarbonisierung und das bietet neue Potenziale für uns. Die weltweite Hinwendung zu sauberen Energien wie grünem Wasserstoff eröffnet uns neue Möglichkeiten. Wir sehen in Australien erhebliche Wachstumschancen, beispielsweise mit Fortescue Future Industries (FFI). Das Unternehmen möchte einer der größten Wasserstoffproduzenten der Welt werden, was ein enormes Dichtungspotenzial für FST bietet.
Unser Wachstum und unsere Rentabilität sind für FST von strategischer Bedeutung. Wir tragen dazu bei, dass FST seine durch den Wegfall vieler Dichtungen für Verbrennungsmotoren schrumpfende Produktpalette ausgleichen und den erforderlichen Cashflow generieren kann. Dieser ist nötig, um die Umstrukturierung des FST-Portfolios zu finanzieren.“

Paul Hailey
Gaskets Division
„Das Projekt Ovid hat dazu beigetragen, aktuelle und zukünftige Strategien des Dichtungsgeschäfts zu stärken. Wir sehen eine große Chance, den Umsatz mit statischen Dichtungen in bestehenden Marktsegmenten und in neuen – wie beispielsweise dem Energiesektor – zu steigern. Dort werden in den kommenden Jahrzehnten wichtige Wasserstoff-Technologien und -Kunden entstehen. Dichtungen werden auch weiterhin in der Automobilindustrie Anwendung finden. Dennoch wird es erhebliche Verschiebungen hin zu batterieelektrischen Anwendungen geben. Unsere traditionellen Produkte für Verbrennungsmotoren und Getriebeanwendungen werden zurückgehen. Wir müssen die Rentabilität unseres bestehenden Portfolios steigern, um neue Technologien zu finanzieren. Mit Blick auf das geplante Wachstum von Wasserstofftechnologien erwarten wir für die Gaskets Division, dass unser Umsatzanteil mit der Allgemeinen Industrie von acht auf fast 50 Prozent steigen wird. Es erfordert erhebliche Anstrengungen, diese Geschäftstransformation zu bewältigen. Dies gilt für die Forschung und Entwicklung generell, aber auch für fokussierte Entwicklungsprioritäten in Richtung E-Fahrzeuge und Wasserstoff, also weg von Entwicklungen für Verbrennungsmotoren. Gleichzeitig passen wir unser Portfolio mit neuen Werkstoffen, Designs und Prozessen an die Bedürfnisse des Marktes an. Unsere Dichtungsprodukte sorgen dafür, dass Leistung und Funktion von E-Fahrzeugen und Wasserstoffanwendungen stimmen. Wir freuen uns darauf, einen Teil der Geschäftstransformation unserer Kunden mitzutragen und gleichzeitig unseren Umsatz profitabel zu steigern.“

Dr. Boris Jakobi
Components Division
„Das Projekt Ovid war für mich in vielerlei Hinsicht augenöffnend. Zum einen wie innovativ unsere FST-Organisation in Bezug auf neue Produkte und Geschäftsfelder ist, zum anderen wie wichtig kontinuierliche Veränderung für ein Unternehmen mit Blick auf Organisationsstruktur und Ausrichtung im Bestandsgeschäft ist. Sicherlich hat Freudenberg dies in seiner bald 175-jährigen Geschichte oftmals unter Beweis gestellt, jedoch sprechen wir bei der Elektrifizierung der Transportmittel und den damit einhergehenden Veränderungen von den größten der letzten Jahrzehnte. Ein passendes Sprichwort ist: ‚Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit‘. Das Projekt Ovid hat uns die Marschrichtung und die notwendigen Werkzeuge dafür an die Hand gegeben. Wichtig ist auch zu verstehen, dass die bevorstehenden Veränderungen, seien es organisatorische oder technische, für lange Zeit unsere Begleiter sein werden. Daher muss ein erfolgreiches Veränderungsmanagement zur Routine für uns werden, da es auch immer eine große Chance im Wettbewerb zu anderen Unternehmen bietet. Für die Components Division bedeutet dies, viele beziehungsweise alle neuen Produktideen und Fertigungsprozesse zu begleiten, zu industrialisieren und wettbewerbsfähig zur Verfügung zu stellen, bevor daraus erfolgreiche Produkte im Markt entstehen können. Und das universal verfügbar, da oft die genauen Fertigungsstandorte der externen Kunden noch nicht festgelegt sind.“

Tobias Chomsé
Accumulators Division
„Als Konsequenz des Projekts Ovid müssen wir unsere Abhängigkeit vom traditionellen Automobilgeschäft mit Kolbenspeichern verringern, die hauptsächlich für Getriebeanwendungen in Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zum Einsatz kommen. Unsere Strategie ist daher, im Industriebereich sowie bei New Mobility deutliche Wachstumsfelder zu erschließen. Bereits in den vergangenen beiden Jahren sind wir hauptsächlich in den Segmenten Landwirtschaft, Bauwesen und Fluid Power gewachsen.
Im Automobilbereich erschließen wir neue Anwendungsmöglichkeiten, zum Beispiel antriebsunabhängige Applikationen wie die hydropneumatische Federung. Diese erlangen aufgrund des höheren Gewichts von Elektrofahrzeugen insbesondere auf dem asiatischen Markt eine große Bedeutung. Darüber hinaus entwickeln wir unser Ersatzteilgeschäft sowie Accumulator Xpress gemeinsam mit der Industrial Services Division und Corteco.
Um diesen Transformationsprozess zu finanzieren, haben wir unsere Profitabilität in den Cash-cow-Segmenten deutlich gesteigert. Hierbei sind unsere Preisstrategien in enger Abstimmung mit den Vertriebskollegen ein wichtiger Baustein.“