Digital Engineering, Advanced Analytics, Connected Materials & Products – so heißen die drei Initiativen, mit denen Freudenberg Sealing Technologies (FST) Digitalisierung rund ums Thema „Innovation“ vorantreibt. Philipp Oestringer, Technology & Innovation, koordiniert alle drei als Initiative Owner.
„Digital Engineering ist per se nichts Neues“, sagt Oestringer. „Es fing damit an, dass Konstruktionszeichnungen nicht mehr auf Papier erstellt wurden und man stattdessen begann, dafür CAD-Programme zu nutzen.“ Wenn er heute von Digital Engineering spricht, denkt er vor allem an Datenaustausch und ans digitale Vernetzen: zum Beispiel das Computer-Aided Design (CAD) mit den Simulationen im Computer-Aided Engineering (CAE) und mit dem Computer-Aided Manufacturing (CAM) in der Fertigungstechnik. „Die Systeme können miteinander kommunizieren und verstehen gegenseitig ihre Daten. Das ist, als ob man mit MS Word Informationen aus einer Excel-Datei lesen könnte“, verdeutlicht er.
Ein aktuell laufendes Projekt der Initiative Digital Engineering beschäftigt sich mit der Einführung eines Systems für einen durchgängigen End-to-End (E2E) Product-Lifecycle-Management (PLM)-Prozess bei FST. Dabei handelt es sich um eine Software-Lösung, die alle Daten eines Produkts über dessen gesamten Lebenszyklus hinweg beinhaltet – die gesamte Prozesskette, von der ursprünglichen Problemstellung über die Produktentwicklung und -produktion bis hin zum Recycling. Im ersten Projektschritt bildet FST bereits den Produktentwicklungsprozess mit der Siemens-Software Teamcenter im PLM-System ab. Als nächstes soll die Vorausentwicklung folgen.

Doppelarbeit vermeiden
Die Vorteile eines PLM-Systems: Es schafft Transparenz und ermöglicht, selbst Details aus der Entstehungsgeschichte und dem Leben eines Produkts zurückzuverfolgen, von der Wiege bis zur Bahre. Zum Beispiel für Audits. Vor allem aber, wenn Ingenieure einen gleichen oder ähnlichen Anforderungskatalog auf den Tisch bekommen, wie er im System bereits hinterlegt ist. Solches Engineering-Know-how steht allen Organisationseinheiten offen. Sie können auf vorhandenem Wissen aufbauen. Doppelarbeit wird vermieden. Gleiches gilt, wenn an zwei oder drei Stellen im Unternehmen ähnliche Fragestellungen aufkommen und das System dies offenlegt. So lassen sich Synergien heben. Die Software nimmt Entwickler zudem an die Hand und führt sie durch alle Aufgaben, die während eines Entwicklungsprozesses zu erledigen sind. Standardisiert. So wird nichts vergessen. Datensätze lassen sich mit dem Warenwirtschafts- (SAP) oder dem Customer-Relationship-Management-System (CRM) austauschen. Dies vermeidet Zusatzarbeit und erhöht die Effizienz.
Ein anderes laufendes Digital-Engineering-Projekt beschäftigt sich mit dem Intellectual Property (IP) Management. Dabei geht es um „geistiges Eigentum“, unter anderem um die Frage, ob FST Patente weiterführen oder auslaufen lassen soll. Das IP-Management-System zieht sich die Daten, zum Beispiel zu Umsatz und Kosten, aus „SAP“ und verknüpft sie zu aussagekräftigen Kennzahlen, die qualifizierte Entscheidungen ermöglichen.
Daten sammeln und bewerten
Die beiden anderen Digitalisierungsinitiativen im strategischen Aufgabenfeld Innovation kommen ebenfalls voran. Bei Connected Products & Materials geht es darum, immer mehr Produkte und Materialien mit Sensorik auszustatten. Zum einen ermöglicht die permanente Zustandsüberwachung mittels Sensorik den FST-Kunden eine punktgenaue Instandhaltung („Condition Monitoring“). Zum anderen kann FST die Echtzeit-Daten zur weiteren Verbesserung seiner Produkte nutzen. Die Daten aus der realen Praxis ergänzen die in Tests und Simulationen gewonnene Datenbasis.
Auch bei der Initiative Advanced Analytics geht es ums Auswerten von Daten. Dabei sollen zum einen vorhandene, bisher aber noch ungenutzte „Datengräber“ gehoben, zum anderen aber auch neue Daten erhoben werden. „Wir wollen diese Daten und Erfahrungswerte dann mit Hilfe intelligenter Algorithmen für Analysen nutzen“, erklärt Oestringer. Die Zielsetzung lautet: Immer weniger Trial-and-Error in der Entwicklung, immer mehr smarte Vorhersagen auf der Basis belastbarer Daten. „So könnten wir beispielsweise eine Mischungsentwicklung mit Hilfe Künstlicher Intelligenz unterstützen.“
Durch die wachsende Qualität der Daten und Vorhersagen lassen sich zum Beispiel Prototypentests auf die in Simulationen vorausberechneten besten Lösungen begrenzen. Das spart Zeit und Entwicklungskosten. Und es erhöht die Qualität des Engineerings in der Entwicklung. Das ist immens wichtig. Denn: Würden die Weichen gleich zu Beginn einer Entwicklung falsch gestellt, käme es in den nächsten Stufen des Produktentstehungsprozesses um ein Vielfaches teurer, Fehler zu korrigieren. Dann sind Prototypenwerkzeuge womöglich schon gefertigt, Maschinen schon bestellt oder treten gar Qualitätsprobleme beim Kunden auf.
Aus den wachsenden Datenschätzen könnten schon bald auch neue geschäftliche Chancen entstehen, blickt Oestringer voraus. „Wir werden für kommende Anforderungen auch Lösungen entwickeln können, von denen wir heute mangels Daten noch gar nicht wissen, dass es diese Anforderungen gibt.“ Apropos neue Geschäfte: Anstöße aus den Geschäftseinheiten sind den Entwicklern bei Technology & Innovation immer willkommen.