
Fragen an Ludger Neuwinger-Heimes, Chief Financial Officer (CFO), Freudenberg Sealing Technologies (FST).

Herr Neuwinger-Heimes, das SAIL-Projekt hat 16 Jahre die Organisation beschäftigt. Welche wesentlichen Herausforderungen gab es dabei zu bewältigen?
Der über 16 Jahre dauernde Prozess war eine riesige Kraftanstrengung der gesamten Organisation, ein Kraftakt für alle. Und alle haben eine große Veränderungsbereitschaft bewiesen. Dieser Wille zur Veränderung ist über die Jahre hinweg auch abseits der IT-Systemlandschaft Teil unserer DNA geworden.
Zunächst einmal galt es, durchzuhalten, einen langen Atem zu bewahren. Die alte Welt der damaligen Freudenberg Dichtungs- und Schwingungstechnik (FDS) – der Vorgängerin von FST – war stark fragmentiert. Um die Jahrtausendwende herum war FDS mit dem Fokus-2-Projekt in viele unabhängige legale Einheiten unterteilt worden. Dies sollte den unternehmerischen Geist der Einheiten fördern. Die Verantwortlichen hatten sich zudem davon erhofft, dass Prozesse einfacher, schneller und marktfreundlicher werden würden. Diese Hoffnung hat sich jedoch nicht erfüllt. In manchen Bereichen – zum Beispiel den administrativen – hat diese Dezentralisierung uns ineffizienter gemacht und hohe Kosten verursacht. So nutzte jede legale Einheit ein eigenes SAP- oder gar ein völlig unabhängiges IT-System, was zu jeder Menge Schnittstellen und mangelnder Transparenz führte.
Erschwerend hat 2009 die globale Weltwirtschaftskrise mit nachfolgender Rezession die Märkte durcheinandergewirbelt und die Unternehmen vor teilweise existenzielle Herausforderungen gestellt. 2011 verschmolzen wir FDS mit der nordamerikanischen Schwester Freudenberg-NOK General Partnership (FNGP) unter dem Dach von FST. Das Geschäft mit der Schwingungstechnik Automobil wurde in die Vibracoustic-Gruppe eingegliedert und die NOK-Freudenberg China (NFC) sowie die Dichtomatik bei FST integriert – letztere mit wieder ganz anderen IT-Systemen. Wir sahen also viele unterschiedliche rechtliche Einheiten und unterschiedliche Systemlandschaften.
Um all dieser Ausprägungen Herr zu werden, hat FST daher schon 2007 die Entscheidung getroffen, Aufgaben teilweise wieder zu zentralisieren, beispielsweise die Informationstechnologie. Und so wurde mit dem Beginn des SAIL-Projekts ein Paradigmenwechsel eingeläutet. Plötzlich standen anstelle von Funktionen die Prozesse im Vordergrund. Heute haben wir eine gute Transparenz, wenn es um Zahlen geht. Wir haben eine Transparenz erreicht, die wir vorher nicht für möglich gehalten hatten. Das erlaubt uns, evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen.
Gibt es dank der unter SAIL erarbeiteten Prozessverbesserungen und Standardisierung künftig die Integration neuer Standorte per Knopfdruck?
Nein, eine Integration per Knopfdruck funktioniert niemals in der IT. Dafür sind die Prozesse viel zu komplex. Aber heute ist es dramatisch einfacher geworden, es gibt jetzt eine Blaupause, die als Standard dient. Wir wissen, was wir wollen. Wir haben die Prozesse definiert und das interne Know-how, um eine Transformation zu einer neuen Organisation zu bewältigen. So können wir beispielsweise neu hinzukommende Unternehmen zügig integrieren. Seit der Gründung der Freudenberg FST GmbH gibt es im Idealfall nur noch eine legale Einheit pro Land, nicht mehr viele unterschiedliche. Und es gibt nur noch ein einheitliches SAP-System.
Drei Protagonisten blicken zurück auf das Sailprojekt:

George Molchan
Senior Vice President
Information Technology
„Im Jahr 2004 kam ich als CIO zu Freudenberg-NOK General Partnership (FNGP). Wir waren gerade mit unserer eigenen ERP-Einführung von QAD beschäftigt. Als FST im Jahr 2011 gegründet wurde, hatten wir die Einführung von QAD abgeschlossen und waren größtenteils nicht mehr an den SAP-Aktivitäten in Europa unter der ehemaligen FDS beteiligt. Im Jahr 2012 übernahm ich als CIO die Verantwortung für die globale FST/FNST-Organisation und erkannte schnell den enormen Umfang und die Bedeutung des FST-SAIL-Projekts. Drei kurze Jahre später begannen wir unsere SAIL-Reise bei FNST und beendeten unsere Rollouts im Juni 2023. Es war eine großartige Erfahrung, während dieser Reise von so vielen engagierten und sachkundigen Menschen umgeben zu sein.“

Heike Brüggemann
Vice President Business Process
and Project Management
„Ich hatte das Glück, ein solch umfangreiches Projekt wie SAIL von Anfang an mit zu begleiten. Das heißt, ich habe sowohl an der Erstellung des Templates im Bereich Einkauf mitgewirkt und eigene Roll-out-Projekte geleitet als auch den SAP-Support für die Lokationen gemanagt. Es war eine wundervolle Erfahrung, die mich als Mensch entwickelt und mir einen hervorragenden Einblick in die Vielfältigkeit von FST ermöglich hat. Ich habe über die Kontinente hinweg viele wunderbare Kolleginnen und Kollegen kennengelernt und die jeweils großartige Expertise und Teambereitschaft sehr zu schätzen gelernt. Ich bin der festen Überzeugung, dass die gemeisterten Herausforderungen in unterschiedlicher Arbeitsweise, kulturellen Besonderheiten und legalen Anforderungen uns als FST enger haben zusammenwachsen lassen!“

Johann Paulhuber
Vice President CPIM Enterprise & Business Platform Management
„Neben unserem operativen Tagesgeschäft galt es, teilweise bis zu fünf parallel laufende SAIL-Rollout-Projekte in verschiedenen Regionen und Zeitzonen weltweit zu realisieren. Wir mussten beispielsweise FST-spezifische Lagerprozesse und Prozessautomatisierungen in unseren Distributionszentren abbilden und umsetzen oder weitere Applikationen über Schnittstellen als zusätzliche Bausteine innerhalb der jeweiligen Projekte integrieren. Eine wesentliche Herausforderung bestand in den letzten Jahren sicherlich auch darin, zusätzliche Kapazitäten durch flexible und vor allem erfahrene SAP-Spezialisten am freien Markt zu finden, die unsere eigenen FST-Experten dabei zumindest temporär unterstützen konnten.
Ich war seit Tag 1 des SAIL-Programms dabei. Und ich kann auf unzählige Eindrücke, Begegnungen sowie individuelle Geschichten, Bilder und Impressionen, aber auch auf konstruktive Diskussionen und Erfahrungen zurückblicken. Wir mussten lernen, mit unterschiedlichen Sprachen und kulturellen Besonderheiten umzugehen. Besonders hat mich jedoch die enorme Motivation und der Teamgeist aller am SAIL-Programm beteiligten Personen begeistert. Dies sowie die Tatsache, dass heute mehr als 5.500 Mitarbeitende täglich ein zentrales SAP-System mit FST-weit harmonisierten und standardisierten Geschäftsprozessen nutzen, könnte sicherlich viele Seiten in einem Logbuch zur Erfolgsgeschichte von SAIL füllen.“